Was haben die Spiegelbestsellerliste und die Welt der Finanz-Influencer gemeinsam? In beiden steht der Name Thomas Kehl ganz weit oben. Als Gesicht des Portals Finanzfluss gibt er in Videos und Ratgebern Hilfestellungen, um eigene, fundierte finanzielle Entscheidungen treffen zu können.
Herr Kehl hat gemeinsam mit Mona Linke das Sachbuch „Das einzige Buch, das Du über Finanzen lesen solltest“ geschrieben, zum anderen betreibt er seit vielen Jahren den YouTube-Kanal Finanzfluss, der sich finanzielle Bildung auf die Fahne geschrieben hat. Was klein anfing, hat im deutschsprachigen Raum mittlerweile über eine Million regelmäßige Zuschauer oder Follower, wie der Fachterminus in der viralen, digitalen Welt der sozialen Medien richtig lautet. Börsengehandelte Indexfonds oder ETFs nehmen in den Beiträgen als Anlageform immer wieder einen breiten Raum ein. Herr Kehl, Sie sind ein Influencer der ersten Stunde und haben sich auf Finanzthemen spezialisiert. Bevor wir uns auf diesen Komplex stürzen, verraten Sie uns doch bitte, was Influencer überhaupt sind und was sie machen. Ich bin kein sehr großer Fan des Ausdrucks Influencer, denn es gibt keine einheitliche Definition. In der Regel sind hiermit Menschen gemeint, die auf Social-Media-Kanälen eine große Reichweite haben und andere Menschen beeinflussen – also „influencen“ – können.
Unsere Aufgabe sehe ich aber im genauen Gegenteil: Menschen Wissen vermitteln, um eigene rationale Entscheidungen treffen zu können, damit sie sich nicht extern beeinflussen lassen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich ausgerechnet mit Finanzthemen zu beschäftigen? Schließlich wimmelt es im Netz von Influencern zu Lifestyle-Themen, mit denen sich vermutlich das Leben nicht schlecht bestreiten lässt? Finanzen waren immer schon meine Passion, und es macht mir Spaß, Dinge auf eine einfache Art zu erklären. So sind mein Mitgründer Arno Krieger und ich auf die Idee gekommen, Wissen über YouTube zu vermitteln.
Mittels Videos, Ratgebern, Vergleichen und Plattformen zum Austausch wollen wir es Interessierten ermöglichen, Verantwortung zu übernehmen und eigene, fundierte, finanzielle Entscheidungen zu treffen.
Wie lassen sich die typischen Follower von Finanzfluss beschreiben? Unterscheiden sie sich von den Käufern Ihres Buches? Unser typischer Zuschauer dürfte um die 30 Jahre alt und Akademiker sein. Je nach Plattform erreichen wir aber auch jüngere Generationen, die gerade erst den Aktienmarkt für sich entdeckt haben. Was die Leser unserer Bücher betrifft, dürfte dies deutlich diverser sein, da über die Buchhandlungen auch Menschen auf uns aufmerksam werden, die weniger digital unterwegs sind.
Lassen Sie uns die letzten zwei oder drei Jahre Revue passieren. Gerade zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns haben viele junge Leute das Thema Geldanlage für sich entdeckt. Nun hat sich das Umfeld an den Kapitalmärkten spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs dramatisch verändert. Wie hat sich das Verhalten Ihrer Follower oder auch die Zielgruppe selbst verändert? Oder anders formuliert, wo drückt Ihren Followern der Schuh? Im ersten Corona-Lockdown haben wir eine regelrechte Aktieneuphorie von jungen Menschen erlebt. Nach einem kurzen Crash gingen die Kurse steil bergauf und es war keine Kunst, ordentliche Gewinne zu machen. Wir waren viel damit beschäftigt, den Menschen zu vermitteln, dass es nicht nur steigende Aktienkurse gibt und man mit Aktien nicht einfach über Nacht reich wird. Demgegenüber steht jetzt eine recht ernüchternde Stimmung, denn viele erleben nun zum ersten Mal über längere Zeit sinkende Kurse.
Der Titel Ihres Buches lautet Das einzige Buch, das Du über Finanzen lesen solltest – was natürlich ein hehrer Anspruch in Zeiten des digitalen Informationsangebots ist. Was sind die Kernbotschaften Ihres Buchs und wer sollte es tatsächlich lesen? Im YouTube-Jargon nennt man so einen provokanten Titel, der einen packen soll, „Clickbait“. Und dieses Konzept haben wir auf den Buchmarkt übertragen. (lacht) Scherz beiseite: Der Anspruch unseres Buches ist, dass man kompakt und unterhaltsam alles vermittelt bekommt, was man über Finanzen wissen muss. Wenn man sich bisher immer um das Thema gedrückt hat, bekommt man das niedrigschwellig vermittelt und weiß hinterher vermutlich mehr als sehr viele andere. Dann hat man das Thema mit dem Lesen des Buches endlich mal hinter sich gebracht und kann mit der Vermögensbildung loslegen. Natürlich ist es trotzdem auch sinnvoll, sich noch detaillierter in Teilgebiete einzulesen, wenn man daran Interesse hat.
Waren Sie eigentlich überrascht, ganz oben auf der Spiegelbestsellerliste zu landen? Dass wir es auf die Liste schaffen, war mit der Größe unserer Community, die ja fleißig das Buch gekauft hat, abzusehen. Dass wir allerdings 15 Wochen auf Platz 1 verweilen würden, hat uns doch sehr stark überrascht. Anscheinend haben wir damit einen Nerv getroffen. Und das motiviert das ganze Team übrigens enorm.
Wir werden immer wieder von Berufseinsteigern angesprochen, sei es nach der Schule, Ausbildung oder auch dem Studium. Die Frage ist dann sinngemäß, was die nächsten finanziellen Schritte in die Zukunft sein sollten. Was würden Sie darauf antworten? Einfach mit wenig Geld anfangen und Erfahrungen sammeln. Mit 25 € pro Monat hat man nicht viel zu verlieren. Und gleichzeitig kann man beginnen, sich über verschiedene Kanäle zu informieren. Wichtig finde ich, dass man das Thema möglichst selbst in die Hand nimmt und nicht irgendwelchen klugen Ratschlägen von teuren Börsenbriefen oder so folgt.
Ein besonderer Schwerpunkt in Ihren Beiträgen sind börsengehandelte Indexfonds, also ETFs. Was spricht aus Ihrer Sicht für eine Anlage mit und in ETFs? Mit ETFs kann man sehr einfach in sehr viele weltweite Aktien investieren – bei rekordverdächtig niedrigen laufenden Kosten. Außerdem ist die Einstiegsbarriere sehr niedrig, da man ETFs bei fast jedem Broker einfach per automatisiertem Sparplan kaufen kann. Diese Kombination macht ETFs für mich zum perfekten Tool für den langfristigen, breit aufgestellten Vermögensaufbau, solange man sich damit nicht zum Zocken verführen lässt.
Die Leser von Die Welt der ETFs umfassen eine breite Altersspanne. Haben Sie aus Ihrer täglichen Arbeit mit dem Thema Anlegen Hinweise oder Anmerkungen für Anleger, die schon länger investiert haben und von den gegenwärtigen Entwicklungen an den Finanzmärkten beunruhigt sind? Ich kann die Beunruhigung gut nachvollziehen, da ja derzeit nicht „nur“ die Kurse nach unten gehen, sondern wir womöglich auch vor einer Rezession stehen, die eventuell etwas länger anhalten könnte. Gerade jetzt ist es wichtig, Rücklagen zu haben, aber auch weiterhin zu investieren. Geld- und Sachwerte bleiben vorerst keine Alternativen zu echten Unternehmensbeteiligungen in Form von Aktien. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben, Herr Kehl!