Interview mit Lukas Neckermann
Er gehört zu den renommiertesten Vordenkern, wenn es um die Zukunft der Mobilität geht, aber auch der Schaffung intelligenter Städte weltweit:Lukas Neckermann. Zudem berät Lukas Neckermann den führenden Indexanbieter MSCI.
Die mit Unterstützung menschlicher Expertise und Einsatz künstlicher Intelligenz von MSCI zusammengestellten Indizes sind wiederum Grundlage für die Megatrend-ETFs Future Mobility und Smart Cities von Lyxor. Ein weiterer Grund, sich mit Lukas Neckermann zu unterhalten. Herr Neckermann, Sie beraten MSCI bei den Zukunftsthemen Mobilität und intelligente Städte. Ihre Erkenntnisse fließen in einen Prozess ein, der über Verfahren der Künstlichen Intelligenz am Ende zu investierbaren Indizes führt, die dann durch Lyxor ETFs nachgebildet und so Anlegern zugänglich gemacht werden. Wie können sich Leser Ihre Mitwirkung auf dem Weg zum Index vorstellen?
Lukas Neckermann: Zuallererst kam die Frage, was umfasst – oder wie umrandet man – die Themen Future Mobility und Smart Cities. Im aktuellen Umfeld, in dem sich jedes noch so traditionelle Unternehmen zukunftsorientiert präsentieren will, erfordert dies eine gewisse Präzision. So haben wir für beide Indizes neue Wertschöpfungsketten entwickelt und die Grenzen der Ökosysteme definiert, um relevante Firmen identifizieren zu können. MSCI hat ein beeindruckendes, KI-gestütztes System sowie genaue Vorgaben, was Relevanz, Gewichtung und ESG angeht. Anhand deren Datenbanken und dieser Filter erhielt ich eine Longlist der avisierten Indexkomponenten, die ich dann einzeln kommentieren durfte.
Lukas Neckermann ist Managing Director bei Neckermann Strategic Advisors, einem 2013 gegründeten Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf neuen Mobilitätstrends und deren strategische Auswirkungen. Er verfügt über 20 Jahre Führungserfahrung im Automobil- und Finanzdienstleistungssektor und war unter anderem in leitenden Positionen bei BMW und der Allianz Group tätig. Lukas Neckermann ist Autor von drei Büchern, darunter „Unternehmen in der Mobilitätsrevolution“ und „Intelligente Städte, intelligente Mobilität“.
Vermutlich geht manchem Leser die Frage durch den Kopf, wie sich Themenindizes von eher traditionellen Indizes wie dem Nasdaq-100, dem MSCI World Information Technology Index oder anderen Technologie-Indizes unterscheiden, schließlich hat alles ja irgendwo mit dem großen Thema unserer Zeit, nämlich der Digitalisierung zu tun?
Lukas Neckermann: Ja klar – die Digitalisierung ist bei all diesen Indizes eine wichtige Basisvoraussetzung. Aber Elektrifizierung und Automatisierung sowie gesellschaftliche Trends, wie die Urbanisierung und der Drang zur Sharing Economy spielen hier eine ebenso große Rolle. Diese werden halt nicht zwingenderweise in strengen Technologie-Indizes abgebildet. Es ist der Zusammenfluss dieser Trends sowie des besonderen Fokus auf die Mobilität und die Entwicklung unserer Städte, was diese zwei Indizes ausmacht.
Was passiert eigentlich, wenn sich Trends ändern? Wie können Sie und dadurch die Anleger sicher sein, dass die Unternehmen, die im Index und damit im ETF enthalten sind, stets die Megatrends der nächsten Jahre abbilden und dann auch davon profitieren?
Lukas Neckermann: Zum einen geht es sicher um die Entwicklung der Megatrends selbst – hier gilt es, ständig ein Auge darauf zu halten, zum Beispiel wie sich Covid-19 auf die Mobilität auswirken wird. Zum anderen – und vielleicht noch viel wichtiger – ist die ständige Aktualisierung der Akteure innerhalb dieser Indizes.
Wir erleben gerade enorme Wertsteigerungen und eine Flut von Neuemissionen, insbesondere rund um Mobilität. MSCI führt in regelmäßigen Abständen Aktualisierungen und Reviews der Indizes durch, die ich ebenso kommentiere. Somit bleiben diese aktuell.
Neben der Digitalisierung ist kein Thema so gefragt wie Mobilität. Geht es aber um die Zukunft der Mobilität, so wird dieses Thema gerne in die Zukunft des Automobils umgedeutet. Um sich dann in einem nächsten Schritt nur um die Firma Tesla zu drehen. Warum greift eine solche Umformulierung viel zu kurz?
Lukas Neckermann: Ein Vergleich zwischen Tesla und einem herkömmlichen Automobilhersteller – OEM, im Fachjargon – greift in der Tat viel zu kurz. Tesla baut Batteriezellen und Batteriepacks, bietet Energieproduktion und Lösungen zur Energiespeicherung, ist Betreiber von Ladestationen und wird letztendlich auch zum Flottenbetreiber. Tesla hat seine Finger in deutlich mehr Industriebereichen als etwa Ford oder General Motors. Dennoch ist Tesla aber nur ein Glied in der größeren Mobilitätskette. Wir haben von Anfang an ein grundsätzliches Umdenken eingefordert – die Mobilität ist nicht etwa eine Weiterentwicklung des Automobils, sondern eine brandneue Wertschöpfungskette – mit ganz anderen Zielsetzungen oder Leistungskennzahlen. In der Automobilwirtschaft gilt nach wie vor, wie viele Autos produziert werden. In der Mobilität gilt es, wie viele Personen – oder auch welche Güter – um wie viele Kilometer wie befördert werden. Erst dann kann ich zum Beispiel Mobilitätsanbieter oder etwa „Mobility as a Service“ berücksichtigen. Hier spielen die traditionellen OEMs zurzeit nur eine nachgeordnete Rolle.
Welche Rolle spielen bei den Entwicklungen Aussagen führender Politiker, den Verbrennungsmotor bis 2035, teilweise sogar bis 2030 buchstäblich aus dem Verkehr zu ziehen?
Lukas Neckermann: Die Durchdringung eines Konzepts erfordert nicht nur technische und wirtschaftliche Überlegenheit, sondern auch – in gewissem Maße – politische Förderung, um gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen. Erst in einem solchen Zusammenspiel kann sich die Elektrifizierung durchsetzen. Nach meiner Auffassung ist die Überlegenheit in vielen Ländern aber schon zu erkennen – der Zug ist abgefahren und die Fakten sprechen klar für einen kompletten Wechsel zu batteriebetriebenen Fahrzeugen, inklusive Busse und Lkws. Verkaufsverbote sind dann eher wichtig als Bestätigung der kommenden Realität. Mir unerklärlich ist die Vehemenz, mit denen einige Politiker, gerade in Deutschland, mit Kraft die Brenn- stoffzelle für Pkws hervorheben wollen – sogar entgegen den klaren Ambitionen und Aussagen der Automobilwirtschaft. Dies führt zu unnötigen Verzögerungen und schadet der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie im Weltmarkt. Wasserstoff wird als stationärer Energiespeicher, vielleicht auch in der Luftfahrt, eine wichtige Rolle spielen. Aber beim Auto eher nicht.
Bedarf es vielleicht zusätzlicher Maßnahmen, um eine Transformation weg vom Individualverkehr zu beschleunigen?
Lukas Neckermann: Am Individualverkehr ist grundsätzlich nichts auszusetzen, sofern damit zum Beispiel auch E-Scooter, Bikesharing oder auch Carsharing, Fahrgemeinschaften und Fahrdienste mit inbegriffen sind – auch diese entlasten unsere Straßen und können die Luftqualität verbessern. Es ist die Vielfalt an neuen Optionen, die einem ermöglicht, vom Zwang des Automobilbesitzes abzukommen. Ganz entscheidend sind neben dem Angebot auch infrastrukturelle Maßnahmen. Was nutzt mir ein E-Bike ohne dedizierte Fahrradspuren? Was nutzt mir ein autonomes Ridepool-Shuttle ohne Konnektivität wie 5G und Fahrzeug- zu-Fahrzeug-Kommunikationsstandards? Wie steht es aus Ihrer Sicht mit der Wiedergeburt des Flugtaxis? Werden Menschen die chronischen Staus in Kürze hinter sich lassen können? Die Antwort auf diese und weitere Fragen, die wir Lukas Neckermann gestellt haben, finden Sie im vollständigen Interview auf unserer Website. Der Link lautet: www.lyxorETF.de/de/retail/market-insights/blog/diezukunft- unserer-staedte-liegt-auch-in-der-zukunftder- mobilitaet.
Deutschland gilt als das Land des Autos, als Land des Individualverkehrs. Glauben Sie, dass sich autonomes Fahren mit regulierter Geschwindigkeit in absehbarer Zeit durchsetzen wird?
Lukas Neckermann: Ja. Ebenso wie wir heute keine Pferde auf der Autobahn mehr erlauben – oder dulden – werden Autobahnspuren für von Menschen betriebene Fahrzeuge nach und nach durch ausschließlich autonome Fahrspuren ersetzt, sobald die Überlegenheit des autonomen Fahrens in puncto Sicherheit und Effizienz deutlich wird. Das ist aber noch etwas Zukunftsmusik, weswegen wir heute auf andere Einsatzbereiche schauen sollten. Denn das autonome Fahren ist nicht nur dem Individualverkehr vorbehalten. Es wird sich in der Logistik, also dem Warentransport, auf der Kurz- und Langstrecke durchsetzen. Schon heute werden – etwa in Großbritannien, den USA und China – millionenfach Waren von Robotern ausgeliefert. Autonomes Fahren wird bei Müllwagen, bei Straßenkehrfahrzeugen und bei Personen-Shuttles ebenso schon probeweise eingesetzt. Und mittelfristig wird es sich auf der Schiene und in der Luft ebenso durchsetzen – wofür brauchen wir zwei Piloten?