Kolumne
Ist Streuung nicht ein Verlustbringer?
Marketingmitteilung
Ich mag die Besuche auf Börsentagen. Es ist nämlich eine einmalige Gelegenheit, direkt mit Anlegerinnen und Anlegern zusammenzukommen und uns persönlich austauschen zu können. Womit ich nicht die Möglichkeiten klein reden möchte, die die Digitalisierung mit ihren Livestreams, Webinaren und anderen Online-Veranstaltungen bieten. Zumal digitale Veranstaltungen natürlich auch denjenigen unter Ihnen die Chancen der Informationsgewinnung ermöglichen, die nicht in unmittelbarer Nähe von Veranstaltungsorten physisch abgehaltener Börsentage wohnen. Eine digitale Veranstaltung wie unser Livestream-Format „Zeit für Geldanlage“ oder unsere gemeinsame Video-Reihe „ETFs um 6“ mit onvista auf YouTube sind von überall zu jeder Zeit abrufbar.
Setzt man nur auf eine einzelne Aktie, so bedarf es Nerven.
Bei einem der letzten Börsentage ergab sich eine interessante Diskussion mit einer Hand voll Besuchern. Beeindruckt war ich von der Zusammensetzung der Gruppe, denn es gab sowohl jüngere Anlegerinnen als auch erfahrene Anleger. Die Diskussion drehte sich um das Thema Streuung bzw. Diversifikation. Einer der Teilnehmer meinte, dass unsere Vorstellung von breiter Streuung überholt sei, denn in den letzten ein oder zwei Jahren seien es ja nur die Technologieaktien gewesen, die den Markt bewegt hätten. Ein Einstieg bei den Glorreichen Sieben, auch gerne als Magnificent Seven bezeichnet, nein, bei Nvidia hätte ausgereicht, um fulminante Anlageergebnisse zu erzielen. Aberwitzige Zahlen zu Wertentwicklungen und zu Einstiegszeitpunkten mit noch mehr Anlageideen machten die Runde, bevor eine Besucherin fragte, ob das denn so weitergehen könne und anlegen wirklich so leicht wäre. Einfach auf den Gewinner von morgen setzen, schwirrte es mir durch den Kopf. Doch wer ist der Gewinner von morgen, vielleicht auch der nächsten Woche oder des nächsten Monats? Von Jahren gar nicht zu sprechen! Womit wir bei dem Thema Streuung angekommen waren. Im Grunde ist die Sache ganz einfach: Setzt man nur auf eine einzelne Aktie, so bedarf es Nerven, sehr starker Nerven. Denn erstens ist frau dem Marktrisiko ausgesetzt, was natürlich für alle Aktien gilt. Aber dann gibt es noch dieses spezielle Risiko, genannt unternehmensspezifisches Risiko. Wie mancher am Beispiel von Nvidia Mitte Januar 2025 selbst erleben konnte oder musste: Das Auftauchen eines chinesischen Wettbewerbers von ChatGPT und Co, DeepSeek, reichte aus, um die Nvidia-Aktie gen Süden zu schicken. Innerhalb weniger Augenblicke war ein Wert von 600 Mrd. US-Dollar „verschwunden“. Manchem dürften die Haare zu Berge gestanden und der Schlaf geraubt worden zu sein, auch wenn die Welt ein oder zwei Tage später wieder halbwegs in Ordnung schien. Was kann ein Rezept gegen solche Schockmomente sein? Nicht nur auf einen einzelnen Wert zu setzen, auch wenn er in der Vergangenheit noch so gut gelaufen ist. Ein anderes Beispiel gefällig? Am 5. August 2024 erwischte es den japanischen Markt mit einem erheblichen Einbruch, dem zweitgrößten Kursverlust des Nikkei Aktienindex innerhalb eines Tages in seiner Historie, nachdem die japanische Zentralbank, die Bank of Japan, überraschenderweise nach sehr langer Zeit den Leitzins erstmals wieder angehoben hatte. Es folgte ein Beben an den großen Wertpapiermärkten rund um den Erdball. Auch wenn die Märkte schnell wieder zur Normalität zurückkehrten, lösten sie zunächst einmal Schockwellen bei vielen Investoren aus. Was auch hier dagegen helfen kann: Nicht nur eine Diversifizierung über einzelne Aktien, sondern auch über Sektoren und Länder. Natürlich will ich damit nicht verhehlen, dass es möglich ist, kurzfristig das große Los zu ziehen und auch mit einem Einzelinvestment beeindruckende Wertentwicklungen zu erzielen. Und Anlegen kann und darf auch Spaß machen. Aber das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt langfristigen Vermögensaufbaus. Weshalb ich am Anfang dieser Kolumne auch die Gruppe, mit der ich mich unterhalten durfte, genauer beschrieben hatte: junge Menschen haben einen langen Zeithorizont vor sich. Und nach allem was wir wissen, ist es kaum möglich, zuverlässig den günstigsten Einstiegszeitpunkt und, genauso wichtig, aber oft unterschätzt oder gar vergessen, den höchsten Verkaufszeitpunkt zu erwischen. Hinzu kommt das alte Börsen-Bonmot vom Hin und her macht Taschen leer. Denn auch dieses gilt es zu beachten: Je mehr ich handele, umso größer die Gefahr, dass am Ende die entstandenen Transaktionskosten das vermeintliche Mehr an Wertentwicklung ausradieren. Das gilt umso mehr, wenn die Angst vor noch weiteren Kursrücksetzern den Blick vernebelt und keine klaren, rationalen und nüchternen Entscheidungen mehr erlaubt. Übertragen auf die Lage am US-Aktienmarkt kann es daher Sinn machen, in die zweite Reihe zu schauen, und damit sind nicht nur die klassischen kleineren Werte, die Small Caps gemeint, sondern auch die Aktien unterhalb der großen Firmen, also die „ex Mega-Caps“. Das trifft nicht nur auf den US-Markt zu. Mit der fortschreitenden Digitalisierung ist auch in anderen Märkten eine Konzentration auf die Aktien großer Unternehmen zu beobachten.
Klar, die vergangenen, teilweise exorbitanten Kurszuwächse bei manchen Aktien erfordern eine gewisse Gelassenheit, sich nicht von diesen vergangenen Entwicklungen in den Bann ziehen zu lassen. Die Vergangenheit zeigt aber auch, dass sich breit aufgestellt langfristig ansehnliche Renditen erzielen lassen. Renditen, die bei einer persönlich passenden Aufteilung zwischen Aktien und Anleihen vor allem eins sichern können: Den guten Schlaf bei Nacht.
Thomas Meyer zu Drewer
Leiter öffentlicher Vertrieb ETFs bei Amundi Deutschland